Ich hatte ja schon ein paar Bedenken. Mit dem kleinen Eintopf nach Skandinavien? Andere Leute nehmen für sowas eine Affentwin oder eine dieser riesigen anderthalbäugigen BMWs. Egal, ich hab's probiert - und was soll ich sagen, es hat wunderbar funktioniert. 5500 Kilometer lang hat mich die Suzi durch Dänemark, Schweden, Norwegen und die ganze Strecke wieder zurück gebracht. Ohne ein einziges Problem.
(Klicken auf die Fotos führt auf mein Reiseblog mit den restlichen Bildern, von dort wird auf Großansichten bei Flickr verlinkt.)

Das ist sie. Vollbepackt, mit aufgepolsterter Jungbluth-Sitzbank, die jeden Cent wert war - selbst nach der letzten 1000-Kilometer-Etappe tat mir zwar alles weh, aber nicht der Hintern.
Wie Ihr seht, habe ich keine Koffer, sondern Packtaschen (für schicke Touratech-Alukoffer fehlte nach neuem Kettenkit, progressiven Federn, Ventileeinstellen, Sitzbankpolsterei usw. auch einfach das Geld). Die Dinger haben ganz gut funktioniert, hingen aber furchtbar schlabberig über den Trägern.

Das Garmin-Autonavi steckt in einer Reißverschlusstasche auf der nachgerüsteten Lenkerstrebe. Die Halterung für die Kamera links am Lenker ist ein Eigenbau.

Ich bin nicht mit der Fähre von Kiel oder Dänemark nach Norwegen gefahren, sondern komplett auf der Straße über Dänemark und Westschweden. Durch Dänemark fährt man ja dank Storebaeltbrücke (Bild oben) und Öresundbrücke (Bild unten) in dreieinhalb Stunden (vorausgesetzt, es hagelt nicht und man muss unter einer Autobahnbrücke warten. Fragt jetzt nicht, woher ich das weiß).

Ein tolles Gefühl, in 70 Metern Höhe übers Meer zu fliegen!
In Malmö habe ich mich noch ein bisschen umgeguckt...

...den "Turning Torso"-Turm bewundert...

...und einen Abstecher nach Ystad gemacht. Das ist die Kleinstadt, in der die berühmten Kommissar-Wallander-Romane von Henning Mankell spielen.

Wallanders Wohnhaus in der Mariagatan 10 gibt es übrigens wirklich.

Erinnerungsfoto vor der auslaufenden Polenfähre.

So friedlich Schweden auch auf den ersten Blick aussieht - auf unbewachten Parkplätzen sollte man sein Kraftfahrzeug anscheinend besser nicht abstellen.
Über Borås, Jönköping, Vänern- und Vätternsee ging es dann endlich nach Norwegen, zuerst nach Hønefoss im Norden von Oslo.

Da scheint zwar noch keine Mitternachtssonne, aber auch nachts um zwei Uhr ist die Dämmerung noch nicht zu Ende.

In Elverum durfte ich am Flugplatz allerlei interessantes Gerät in Aktion bewundern - beziehungsweise in der Luft.

Von da aus ging es über Oslo zunächst nach Süden, dann nach Westen. Über eine malerische (nicht zu vergessen stürmische und regnerische) Nebenstraße am Gaustatoppen-Berg vorbei, der seinen Gipfel in den Wolken hatte.

An dieser Stelle war ich dann ganz froh, keine schwergewichtige BMW dabei zu haben. Im böigen Wind und auf losem Untergrund ist mir die Windy nämlich umgekippt, unmittelbar, nachdem das Foto entstand. Ich konnte sie gerade noch halten.

Wenige Kilometer dahinter liegt Rjukan, der berühmte Ort in der Schlucht, wo im Winter die Sonne nie scheint. Im Sommer sieht das alles natürlich ganz reizvoll und entspannt aus.

Ein paar Kilometer talaufwärts liegt das Wasserkraftwerk Vemork. Hier haben im Zweiten Weltkrieg die Nazis versucht, sogenanntes "Schweres Wasser" für den Bau einer Atombombe zu gewinnen. Norwegische Widerstandskämpfer jagten die Fabrik schließlich in die Luft.

Günstig und sehr schön übernachten kann man in der neuen Jugendherberge von Kvitavatn - das liegt nicht in der Stadt selber, sondern oben an der Schlucht am Fuß des Gaustatoppen (Vorsicht, man fährt leicht an der Abzweigung vorbei und muss dann diverse Serpentinenkilometer wieder zurückfahren - fragt mich nicht, woher ich...).

Untergebracht wird man dort in kleinen traditionellen Holzhütten mit perfektem Gipfelblick.

Östlich von Rjukan am Tinnsjø-See die alte Eisenbahn-Dampffähre Ammonia. Sie ist das Schwesternschiff der Hydro, auf der die Nazis 1944 die Vorräte an "Schwerem Wasser" aus dem Land schaffen wollten. Auch daraus wurde nichts - Widerstandskämpfer versenkten die Fähre mitten im See. Im Hollywood-Streifen "The Heroes of Telemark" mit Kirk Douglas wurde den Männern ein filmisches Denkmal gesetzt.

Ein paar Kilometer westlich von Notodden steht in Heddal Norwegens größte Stabkirche - 26 Meter hoch und fast 800 Jahre alt.

Aber so schön es auch war, es musste weitergehen.

Von Rjukan aus bin ich nach Südwesten in Richtung Küste gefahren.

Über den Haukelivegen, der über eine verschneite und vereiste Landschaft führte...

...ging es schließlich in einer Kolonne einspurig übers Haukelifjell. Wenn da Ende Juni noch so viel Schnee liegt, wie sieht's dann wohl erst im Winter aus?

Nächstes Ziel war der Preikestolen im Lysefjord. Man läuft von der Herberge aus etwa zwei Stunden lang den Berg hoch, bis man schließlich auf der 600 Meter hohen Felsklippe steht. Ich glaube, der Anblick von dort oben war der schönste, den ich je hatte.

Ja, das war definitiv einer der besseren Momente in meinem Leben...

Aber der Tag ging noch weiter. In den Lysefjord fährt neben der modernen Schnellfähre auch eine Touristenfähre. Sie braucht zwar zweieinhalb Stunden statt einer, dafür werden alle Sehenswürdigkeiten angelaufen und (auch auf deutsch) ausführlich erklärt. Der Spaß ist nicht mal teuer. Wann kriegt man schon mal eine Fjordkreuzfahrt geboten? Es war ein spektakuläres Erlebnis.

Der Preikestolen von unten mit dem Tele fotografiert - er trägt seinen Namen "Predigerkanzel" wirklich zu Recht.

Ein Stück weiter den Fjord hoch liegt der "Whisky-Wasserfall". Hier hat ein desertierter deutscher Soldat im Ersten Weltkrieg eine illegale Brennerei betrieben. Spuren dieser Bestände sollen noch im Wasser enthalten sein, daher der Name...

Das 1100 Meter hohe Kjerag-Kliff liegt ganz oben am Fjord. Gerade eben noch zu erkennen war der Kjeragbolt, eine fünf Meter dicke Felskugel, die dort oben in einem Spalt steckt. Wer den Mut hat, kann sich draufstellen.

Letzter Blick in den Lysefjord... whow, war das schön dort.

Von Lysebotn aus führt eine Serpentinenstraße über 27 Haarnadelkurven den Hang hinauf. Eine dieser Kurven liegt in einem Spitzkehrentunnel von 1100 Metern Länge.

Von den Serpentinen aus hat man einen wunderschönen Blick den Fjord hinunter. Es ist wirklich ein Vorteil, mit dem Motorrad unterwegs zu sein: Man kann jederzeit am Straßenrand anhalten, um zu fotografieren. Mit dem Auto ginge das niemals.

Oben angekommen, führt die schmale Straße durch eine mondähnliche Kraterlandschaft.

Schnee, Schnee, Schnee. Im Winter ist die Straße komplett gesperrt. Mit Wohnwagen sollte man sie auch im Sommer nicht befahren, warnt ein Schild.

Es war verdammt weit bis zur nächsten Tankstelle. Das letzte einsame Segment in der Anzeige war schon ein paar Kilometer aus, als ich die Esso-Tanke in Sinnes erreichte. Die 378 Kilometer mit einer Füllung waren absoluter Rekord, später habe ich das noch zweimal geschafft. (Meine Freude, ich hätte Windy das Saufen abgewöhnt, war aber verfrüht: Sobald ich auf der Heimreise auf deutschen Autobahnen wieder 110 gefahren bin, ging auch der Verbrauch wieder auf deutlich über 6 Liter).

Ein paar Kilometer weiter in Richtung Südküste ist es aber schon wieder viel grüner und freundlicher.

Am Kap Lindesnes muss die Suzi warten, während sich Herrchen den Leuchtturm anguckt.

Das ist er: Lindesnes Fyr ("Feuer") auf der südlichen Spitze Norwegens. Ein absolutes Postkartenmotiv.

Der Turm ist aus Gusseisen und stammt von 1915. Der Reflektor ist sogar von 1854 und immer noch in Betrieb.

Leider sind die Klippen von Geschützstellungen und Bunkeranlagen aus dem Zweiten Weltkrieg verunstaltet. Dreimal darf man raten, wer die damals gebaut hat...

Auf dem Rückweg habe ich dann mal ein paar Straßenkilometer gespart und bin mit der Fähre Horten-Moss über den Oslofjord gefahren. Das hat mich überzeugt: Das nächste Mal nehme ich gleich die Fähre von Hirtshalsk oder Frederikshavn nach Norwegen.
Fazit der Fahrt: Ein Traum. Es war sogar noch viel schöner, als ich erwartet hatte. Das nächste Mal bringe ich mehr Zeit mit. Dann soll es gleich die Westküste raufgehen. Es gibt ja schließlich noch genug Orte, die man nicht gesehen hat...

...und mit der Freewind würde ich das jederzeit nochmal machen. Sie ist wunderbar leicht und handlich, wenn man bei einem Fotohalt am Straßenrand hin- und herrangieren muss. Federung und Sitzbank waren komfortabel, die Sitzposition prima, obwohl ich ein Klotz von fast 1,90 Metern bin. Nur der Verbrauch... tja, da muss man mal was machen.

Einen Sturzbügel habe ich nach der Fahrt schon drangeschraubt. Alukoffer (schmale) kommen noch dran. Und Heizgriffe - damit die Fingerchen beim nächsten Schauer nicht wieder so kalt werden.
Welche Erfahrungen habt Ihr mit der Freewind auf Langstrecken gemacht? Ich war ja nicht der erste, der mit der XF in Norwegen war, wie ich im Forum gelesen habe.
Glückliche & zufriedene Grüße aus Aachen
Marc