in der ersten Folge meiner Reihe "Zweizylinder, die ich der XF vorziehen würde, könnte ich sie mir leisten" folgt heute die Besprechung einer BMW F 800 ST mit ABS.

In Felix Austria verbrachte ich den Erholungsteil meiner Herbstferien, das Autohaus Kaufmann in Kaprun durfte mir daher für einen Tag das oben genannte Motorrad als Ersatz für die malade XF 650 stellen. 119 € für einen Tag und 300 km fand ich happig, aber meine Frau hat mir die Tour geschenkt, die kann sich das leisten.

Der erste Eindruck von der BMW war OK, aber sie muss sich natürlich immer dem Vergleich zur Freewind stellen. Wirklich besser verarbeitet als die Suzuki finde ich sie nicht, trotz eines Preises, der einige Hausnummern höher hängt, selbst wenn man den zweiten Zylinder, die Ausstattung und die Konzeption berücksichtigt. Das Plastik sieht billig aus, der Heckrahmen ist nicht geschweißt sondern zusammengebraten, insbesondere bei den Soziusrastenauslegern, die zudem nicht demontierbar sind.
Andererseits gibts die schöne Einarmschwinge und andere nette technische Details.
(Dass der ganze BMW-Bock mit circa 5000 km in Summe deutlich heftiger klapperte als die kaputte XF, das verschweige ich hier mal nicht, erwähne es aber nur am Rande. Denn auch wenn das Geklapper beim bayrischen Berliner nervte, so war es funktionsgemäß und unterstrich wohl eher die insgesamt absichtlich grobschlächtige Konstruktion. It's not a bug, it's a feature.)
Dann die Anprobe: Als XF-Fahrer, der a) nix anderes kennt und sich b) auf dem Bock so wohl wie auf dem Klo fühlt, war die ST erstmal nix. Lenker zu tief, Rasten zu hoch. Insgesamt sitzt man zusammengekauert auf der Hälfte des Raumes und trotzdem höher über der Straße. Paradox. Nach etwa drei Metern führt das außerdem dazu, dass die Handgelenke sich melden, nach 30 Metern schmerzen sie und gefühlsmäßig liegen zwei Drittel des Körpergewichts auf dem Lenker. Anfangs fühlt sich die Fortbewegung dann auch mehr nach Eiertanz denn nach kontrolliertem Einsatz an.
Über einige Kilometer habe ich die BMW nun innerorts und außerorts von Kaprun bis zum Anfang der Großglockner Hochalpenstraße kutschiert. Auf dieser Strecke ergab sich nix besonderes, außer dass die BMW-Armaturen mit ihren "deppatn" Blinkerschaltern so nötig wie von außen verstellbare Innenspiegel sind und mich beim links Blinken zum Hup-König gemacht haben.
Vor der Auffahrt auf den Glockner (18€, lieber Schorsch!) hab ich die Sozia dann noch einmal zur Ordnung gerufen, und dann ging es hoch. In den engen Serpentinen hätte ich lieber eine aufrechte Sitzhaltung gehabt, klarer Sieg für die XF. Auch auf später nasse Straße und im Nebel auf dem Gipfel hätte ich gern die XF dabei gehabt, sie hätte mir trotz des fehlenden ABS mehr gefühlte Sicherheit vermittelt.
Nach einer Murmeltierbetrachtungspause auf der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe hatte ich das ungewohnte Motorrad dann aber endlich gut im Griff.

Und auf dem Weg zurück über den Gipfel und nach unten hab ich dann angefangen, die fiesen Autos vor mir her zu scheuchen. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass mein härtester Gegner ein VW-Transporter aus Litauen war. Aber der hat auch gut am Kabel gezogen, bei 25 Metern Sicht, vier Grad und Niesel mit Schnee im Wechsel.
Zurück am Fuße des Berges war dann auch langsam der Schmerz in den Handgelenken vorüber, weil ich mich endlich daran gewöhnt hatte, das Körpergewicht über die Hüfte und den Rücken zu stützen, statt mich auf den Lenker zu fläzen. Und ab hier kann ich dann von echtem Fahren sprechen:
In mittleren bis weiten Kurven fährt die F 800 dorthin, wohin man denkt. Die XF will bewegt werden, die ST tut einfach. Rapp-Zapp. Scharf wie eine Klinge. Sorry Freewind, aber das kannst du nicht.
Und dann der Motor. Geil. Circa 35 PS mehr sind eine Ansage. Muss man wahrscheinlich selbst erleben, aber man kann noch kurz vor der Kurve überholen statt stundenlang auf eine ellenlange Gerade zu warten.
Der Kenner und Auskenner wird natürlich jetzt sagen: War doch alles klar. Ich muss sagen: Mir nicht. Ich bin bisher beinahe nur meine XF gefahren, die Ausnahmen waren kurz und selten. Dass ein neues, stärkeres und teureres Motorrad besser sein würde, das wusste ich auch. Aber nicht wie sehr. Nun weiß ich es. Und kann mit Gewissheit sagen:
Der Test war nicht "die" Offenbarung. Die BMW kann fast alles besser, aber schön fahren kann man auch mit der XF. Meine Freewind bleibt hier, ein Zweizylinder kommt für mich nur daneben in Frage.
Grüße,
Dirk